Fundstück im Oktober 2025 Verlegerin Ruth Mayer

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Ruth Mayer hatte schon Ende der 1960er Jahre Lyrik und Prosa veröffentlicht und dabei gemerkt, wie schwierig es für Autorinnen war, im herkömmlichen Literaturbetrieb Fuss zu fassen. Deshalb gründete sie 1976 ihren eigenen Verlag, die Edition R+F. Sie selbst sagte dazu: “Ich bin eine verlegerische Winzigfirma. Mit eindeutigem Programm. Ich verlege Texte von Frauen.” Sie wollte gezielt die Gegenwartsliteratur von Frauen unterstützen und schreibende Frauen dazu ermutigen, sich mit ihren Texten vermehrt an die Öffentlichkeit zu wagen. So betonte sie wiederholt: “Was mich bewegt, was Frauen anrührt, das gilt nicht mehr länger als unwichtig, als vernachlässigenswert. Und das hilft den Frauen, löst vieles in ihnen, gibt ihnen Mut, Selbstvertrauen, Selbstständigkeit, das Schreiben wird zum Mittel der Befreiung und der Mitteilung an die Mitwelt.” 

Wie wenig Freizeit ihr nach der Verlagsgründung blieb, betonte sie in ihren Briefen: “Ferien, beispielsweise, sind seit vielen Jahren ein Fremdwort für R+F.” Umso erstaunlicher sind vor diesem Hintergrund die vielfältigen schriftlichen Korrespondenzen, die Ruth Mayer mit Autorinnen führte. Sie korrespondierte nicht nur mit Schweizer Schriftstellerinnen wie Maja Beutler oder Gertrud Wilker, sondern auch mit Rose Ausländer, Hilde Domin oder Ilse Aichinger. Auf diese Weise schuf sich die Verlegerin ein Beziehungsnetz zu schreibenden Frauen im gesamten deutschsprachigen Raum. Mit einigen Autorinnen pflegte sie dabei langjährige Brieffreundschaften. Diese transnationale Vernetzung spiegelt sich besonders gut in den Anthologien. Ruth Mayer verlegte zwischen 1977 und 1999 fünf solcher Textsammlungen. Diese trugen dazu bei, dass der Verlag weit über Zürich hinaus Sichtbarkeit erlangte. Ruth Mayer publizierte darin einerseits Texte von bekannten Autorinnen, sie wollte aber auch unbekannten, schreibenden Frauen eine Publikationsmöglichkeit geben.

Ruth Mayer gab auch Einzelwerke verschiedener Autorinnen heraus. Die bekannteste Publikation des Verlags erschien 1994: “Zeus oder der Zwillingston” von Mariella Mehr. Das Buch wurde 2023 vom Limmat Verlag neu herausgegeben. Im Nachlass von Ruth Mayer befindet sich der gesamte Entstehungsprozess des Romans, der bis anhin nicht aufgearbeitet ist. Der intensive Austausch zwischen Mayer und Mehr dokumentiert dabei die gemeinsame Textarbeit von zwei Frauen. 

Ab Anfang 2026 bieten wir eine neue thematische Führung zu schreibenden Frauen an. Auch Ruth Mayer wird auf diesem Rundgang vorgestellt.

Zum Nachlass von Ruth Mayer